Leicht. Bewerben.: „Mit Leichter Sprache können online Barrieren abgebaut und Inhalte für jeden verständlich vermittelt werden“
Nachgefragt bei Chiara Dickmann, Projektleiterin von Leicht. Bewerben.
Eine aussagefähige Bewerbung zu schreiben, kann schwierig sein. Um eine Anstellung zu finden, ist sie aber unerlässlich. Gerade jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten fällt das mitunter aber nicht so leicht. Die gemeinnützige Organisation KulturLife hat aus diesem Grund das Projekt „Leicht. Bewerben.“ ins Leben gerufen. Zusammen mit ihrer Kollegin Helen van Ravenstein ist es das Anliegen von Chiara Dickmann, jungen Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern – in Leichter Sprache.
Frau Dickmann, warum Leicht. Bewerben.?
Chiara Dickmann: „Leicht. Bewerben. zielt darauf ab, Menschen mit Beeinträchtigungen die Teilnahme am digitalen Bewerbungsprozess zu ermöglichen. Ein interaktives Lern-Tool in Leichter Sprache führt die Nutzer/-innen durch den gesamten Prozess des Schreibens einer digitalen Bewerbung und ermöglicht ihnen, ihren persönlichen Lebenslauf und Anschreiben in Leichter Sprache nach Abschluss herunterzuladen.
In unserer alltäglichen Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben wir festgestellt, dass es vielen schwerfällt, eine Bewerbung digital zu erstellen. Wir haben außerdem wahrgenommen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen (zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Nicht-Muttersprachler/-innen) einen erschwerten Zugang zu Arbeitsplätzen, vor allem auf dem primären Arbeitsmarkt, haben. Laut des jährlichen Inklusionsbarometers der Aktion Mensch in Kooperation mit dem Forschungsinstitut des Handelsblattes verbringen Menschen mit Lernschwierigkeiten im Durchschnitt 109 Tage länger mit der Suche nach einer Beschäftigung im Vergleich zu Menschen ohne Beeinträchtigungen und weisen eine Erwerbslosigkeit von 13,4 Prozent auf. Die Partizipation am Arbeitsmarkt ist aber ein essentieller Aspekt, um ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen zu können. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden Leicht. Bewerben. zu entwickeln“
Wie kann Leicht. Bewerben. dabei helfen, den Arbeitsmarkt in Deutschland inklusiver zu gestalten?
Dickmann: „Das Bewerbungsverfahren wurde in den vergangenen zehn Jahren fast vollständig digitalisiert. Aus diesem Grund müssen Werkzeuge bereitgestellt werden, die sicherstellen, dass diese Prozesse transparent und leicht verständlich sind/werden. Deswegen haben wir ein innovatives Lern-Tool in Leichter Sprache für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickelt, um sie dazu zu befähigen, erfolgreich an digitalen Bewerbungsprozessen teilzunehmen.“
Leichte Sprache ist eine vereinfachte Version von Deutsch und wird im inklusiven Schulsystem aber auch für Nicht-Muttersprachler (Migrant/-innen und Menschen mit Fluchthintergrund) verwendet, um die anfängliche Integration zu erleichtern. Herkömmliche Bewerbungstools und Materialien werden bisher ausschließlich in Standardsprache zur Verfügung gestellt, sodass unser Tool den unmittelbaren Bedarf der Zielgruppen abdeckt.
Unser Projekt geht zusätzlich auf den Bedarf von 156.000 deutschen Unternehmen ein, die ab einer Mitarbeitergröße von 20 Angestellten laut § 71 SGB IX mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung besetzen müssen. 2016 blieben 32.000 Stellen unbesetzt. Für jeden Pflichtarbeitsplatz, der nicht besetzt wird, muss ein Arbeitgeber eine sogenannte Ausgleichszahlung leisten (§ 77 SGB IX). Hieraus ergibt sich auch ein weiterer Bedarf, diese Arbeitsplätze zu besetzen.
Warum ist Leichte Sprache gerade digital so wichtig?
Dickmann: „Über 90 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren sind online unterwegs, besagt die Onlinestudie des ARD und ZDF im Jahr 2018. Das Internet wird zum Großteil für das Sehen, Hören und Lesen von Inhalten sowie für die Kommunikation genutzt. Dabei verliert man schnell aus den Augen, dass es eine Gruppe Menschen gibt, die nicht online unterwegs ist oder sein kann – wie ältere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen oder auch Menschen, für die Sprache ein großes Hindernis ist. Mit Leichter Sprache können auch online diese Barrieren abgebaut und Inhalte für jeden verständlich übermittelt werden.“
Was bedeutet für Sie Inklusion?
Dickmann: „Inklusion bedeutet für uns die soziale Ausgrenzung unserer Zielgruppe zu verringern und einen inklusiveren, barrierefreien Arbeitsmarkt zu schaffen. Vor allem nach der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 ist es unerlässlich geworden, Menschen mit Beeinträchtigungen eine effektive und volle Teilhabe an der Gesellschaft auf Augenhöhe zu ermöglichen. Dies beginnt mit der Verwendung von Leichter Sprache. Unser Tool soll jedoch nicht nur unsere Zielgruppe in den primären Arbeitsmarkt integrieren, sondern kann auch eine Orientierung für jede Person sein, die sich mit dem Thema Bewerbung zum ersten Mal beschäftigt und Unterstützung benötigt. Dies ist auch Teil unseres Selbstverständnisses von Inklusion: Ein gesellschaftliches und soziales Miteinander zu ermöglichen, dass jeden einschließt und jegliche Ausgrenzung abbaut.“
Quelle: www.rehacare.de/Leicht_Bewerben